Sonntag, 4. November 2012

Gold als Europas Trumpf:

Ein steigender Preis nützt dem Euro und schadet dem Dollar. Der Goldstandard ist längst Geschichte – wozu also halten Staaten und Notenbanken heutzutage noch Gold? Und warum wird in vielen Ländern (darunter Österreich und Deutschland) über den Verbleib der Goldreserven debattiert? Die Antwort findet sich in der Bilanz der Europäischen Zentralbank (EZB), der Hüterin des Euro.
 Anfang Oktober war es wieder soweit: Beim Stand von 1377 Euro pro Unze hat die EZB eine imaginäre Kamera ausgepackt und einen „Schnappschuss“ des Goldpreises angefertigt – nur knapp einen Euro unterhalb des bisherigen Rekordhochs. Dann hat die Notenbank eine relativ simple Rechnung vorgenommen: Das Eurosystem verfügt über rund 10.800 Tonnen Gold à 32.150 Unzen – mal 1377 ergibt das: fast 480 Mrd. Euro.
Und das ist der Posten auf Platz eins der Aktiva in der Bilanz des Eurosystems: 480 Mrd. Euro in der Form von Gold. Viermal pro Jahr bewertet die EZB diesen Posten nach Marktpreis. Die Devisenreserven (hauptsächlich Dollar) folgen auf den Plätzen zwei und drei der Bilanz. Und obwohl diese Papiergeldreserven quantitativ immer mehr werden, nimmt ihre qualitative Bedeutung ab. Beim Start des Euro machten Gold rund 30 Prozent und Devisen rund 70 Prozent der Reserven aus. Heute ist es umgekehrt: Gold steht für mehr als 65 Prozent der Reserven (Tendenz steigend), Devisen für weniger als 35 Prozent (Tendenz fallend).
Gold stärkt den Euro
Die Bilanz des Eurosystems illustriert so geradezu perfekt den Unterschied zwischen Gold und Papiergeld: Zweiteres ist beliebig vermehrbar. Die Devisen in der Bilanz werden nicht „nach Marktpreis“ bewertet – das wäre nicht sinnvoll. Einzig die quantitativen Veränderungen werden angegeben. Das passiert beim Gold zwar auch – wenn eine Zentralbank Gold kauft oder verkauft. Die wahre Bedeutung des Goldes ergibt sich aber in der qualitativen Bewertung der Reserven nach dem Goldpreis.
Das ist auch kein Zufall, sondern ein wenig beachteter Baustein in der oftmals kritisierten Architektur des Euro. Die Gemeinschaftswährung ist durch Gold gedeckt, aber nicht daran gebunden. Beim Dollar ist es umgekehrt. Er ist (theoretisch) noch immer an Gold gebunden, aber nicht gedeckt – weil die rund 8000 Tonnen US-Gold in der Bilanz der Federal Reserve unverändert mit nur 42 Dollar pro Unze vermerkt sind, seit die Eintauschbarkeit des Dollars in Gold 1971 aufgehoben wurde.
Die Fed in der Zwickmühle
 Das ist der Grund, warum ein steigender Goldpreis derzeit ein Problem für den Dollar darstellt, aber nicht für den Euro: Die EZB könnte (theoretisch) Gold mit frisch gedruckten Euros kaufen und den Goldpreis in Euro steigen lassen. Das würde den Wechselkurs des Euro zum Gold schwächen. Die EZB könnte aber auch Gold verkaufen um den Euro zu stärken. Derartige Operationen werden heute hauptsächlich noch mit Devisenreserven umgesetzt.
Die Fed steckt in einer Zwickmühle: Kauft sie Gold, schwächt sie den Dollar, weil der Goldpreis steigt. Und verkauft sie Gold, stärkt sie den Dollar trotzdem nicht – weil ausländische Zentralbanken auf Unmengen an Dollar sitzen, die derzeit außerhalb des Systems sind. Diese Dollar würden die Notenbanken nur allzu gerne in Gold wechseln.
Diese Notenbanken halten den Dollar noch als Reserve, weil es lange Zeit keine echte Alternative gab. Seit 1999 wächst aber die Bedeutung des Euro mit dem steigenden Goldpreis. Und viermal pro Jahr dokumentiert die EZB diesen Umstand mit einem „Schnappschuss“ und in ihrer Bilanz. Nächstes Mal im Jänner 2013. 
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2012)

1 Kommentar:

  1. Das Prinzip "teile und herrsche"

    "Dem Gold verdanken wir die Arbeitsteilung und damit auch die Kulturgüter, denen wir uns erfreuen. Dem Gold aber verdanken wir auch wieder, dass von den geschaffenen Gütern der bei weitem größte Teil, und zwar das Beste, dem Schmarotzertum verfällt. Ist doch das Gold der Vater des Kapitalismus. Dank seinen körperlichen (Edelmetall) und seinen gesetzlichen Vorrechten (gesetzliches Zahlungsmittel) nimmt das Goldgeld eine Ausnahmestellung ein unter den Gütern, deren Austausch auf das Geld angewiesen ist. Das Goldgeld ist darum auch zum allgemeinen Sparmittel geworden, und der Sparer gibt es nicht wieder heraus, es sei denn, dass man ihm einen Zins verspricht. Früh oder spät verfällt aber alles Geld, das der Staat als Tauschmittel in Umlauf setzt, der Kasse irgendeines Sparers, sodass wiederum alles umlaufende Geld aus den Sparkassen kommt, also mit Zins belastet den Markt betritt, um seine Tätigkeit als Tauschmittel zu erfüllen. Diese Doppeltätigkeit des Geldes als Tauschmittel und als Sparmittel ist gegensätzlicher Natur und als Missbrauch des Tauschmittels zu betrachten. Dadurch, dass dem Güteraustausch nur verzinsliches Geld zur Verfügung steht, wird der Zins Vorbedingung der Warenerzeugung überhaupt.
    …So kam mit dem Gold und der Arbeitsteilung zugleich der große Friedensstörer, der Zins, auf die Welt. Die Arbeitsteilung an sich verlangt keinen Zins. Wer sollte da auch Zins zahlen und weshalb? Die Arbeitsteilung hätte also den Menschen allgemeinen Wohlstand bringen sollen, da sie ja kein Vorrecht einzelner, sondern allen Menschen zugänglich ist. Aber aus den Händen des Goldes empfing die Menschheit diese Götterkraft nur unter der Bedingung des Zinses, und damit auch der Trennung der Menschen in arm und reich. Als ob neidische Götter der Menschheit den Machtzuwachs nicht gegönnt, die Unabhängigkeitserklärung der Menschen vom göttlichen Gängelband gefürchtet und dem dadurch vorgebeugt hätten, dass sie nach dem Grundsatz "teile und herrsche" den Zins als Spaltpilz in die Menschenfamilie eingepflanzt hätten!"

    Silvio Gesell ("Ist der Bürger- und Völkerfrieden vereinbar mit der Goldwährung?", 1916)

    In einer Volkswirtschaft sind die Waren das Angebot und das Geld bildet die Nachfrage. Der Gegenwert allen umlaufenden Geldes ist immer der Wert aller gegenläufig umlaufenden Waren, die aktuell dagegen getauscht werden, und nicht "beliehene Sachwerte", eingelagerte Goldklötzchen oder sonst irgendetwas. Das heutige Papiergeld ist deshalb Zinsgeld (fehlerhaftes Geld mit parasitärer – der wesentlichen Tauschfunktion widersprechenden – Wertaufbewahrungsfunktion), weil es gänzlich unreflektiert dem Edelmetallgeld der Antike nachgeäfft wurde!

    Wirklich interessant ist die Antwort auf die Frage, warum eine halbwegs zivilisierte Menschheit, die bereits Raumfahrt betreibt, etwas im Grunde so Einfaches wie das Geld bis heute nicht verstehen konnte: 3 Verwandlungen

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